Mediendidaktik

Empfehlungen zur Gestaltung onlinebasierter Lehr- und Lernsettings

Der digital gestützte Fernunterricht bietet einige Möglichkeiten, um individuelle und kooperative Lernprozesse zu ermöglichen, erleichtern und zu verbessern. Im Folgenden möchten wir Ihnen Empfehlungen zur didaktischen, methodischen und organisatorischen Gestaltung Ihrer onlinebasierten Lehr- und Lernsettings geben.
Sie haben weitere Tipps zu diesem Thema? Wir ergänzen diese Empfehlungen gerne! Schreiben Sie uns eine Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Didaktik und Methodik des onlinebasierten Unterrichtens

Im traditionellen Präsenzunterricht gelten andere didaktische und methodische Regeln als beim Lehren und Lernen mit Lernplattformen (z. B. dem Schulportal Hessen), Videokonferenzen und Smartphones. Daher sollten Sie es vermeiden, den onlinebasierten Unterricht in gleicher Weise wie den Unterricht im Klassenzimmer zu gestalten: Im Mittelpunkt des onlinebasierten Unterrichts sollte stets die Begleitung der Lernprozesse der Schüler*innen und die Beziehungsarbeit stehen, während digitale Tools, Webseiten und Apps lediglich den Rahmen der pädagogischen Arbeit bilden sollten.

Die Beobachtung, Begleitung und Steuerung von Lernprozessen gestaltet sich im Homeschooling anders als im Klassenzimmer und kann aufgrund der ungewohnten räumlichen Distanz zu den Schüler*innen mitunter sogar als Kontrollverlust wahrgenommen werden. Mitunter wird dann versucht, die Kontrolle über den Lernprozess der Schüler*innen mithilfe etablierter Strukturen des Präsenzunterrichts (z. B. Stundenpläne, geschlossene Aufgabenformate) zurückzugewinnen.
Der onlinebasierte Fernunterricht ermöglicht den Schüler*innen jedoch, über Zeitpunkt, jeweiligen Lernschwerpunkt, Rhythmus, erforderliche (analoge oder digitale) Hilfsmittel und mitunter sogar den Lernort selbst zu entscheiden. Ein wesentlicher Vorteil des digitalen Unterrichtens liegt gegenüber der traditionellen Unterrichtspraxis somit darin, dass Schüler*innen Kompetenzen im Hinblick auf eine Eigenverantwortlichkeit für die eigenen Lernprozesse aufbauen können.
Wir möchten Ihnen daher empfehlen, eine Haltung zu entwickeln, in der Sie den (vermeintlichen) Kontrollverlust akzeptieren und das didaktische Potenzial des Distanzlernens voll ausschöpfen.


In einem synchronen Unterrichtssetting finden Aktivitäten und/oder Kommunikation zur gleichen Zeit statt. Diese Form ist zwar sehr interaktional und unmittelbar, gerade an diese Lehr- und Lernform werden im Onlinekontext aber sehr hohe Anforderungen hinsichtlich Organisation und Technik sowie Disziplin der Schüler*innen gestellt. Ein synchrones digitales Lehr- und Lernsetting führt daher auch zu hohen Dropouts, da die Schüler*innen z. B. sehr unterschiedlich schnell lernen, unterschiedliche Bandbreiten bzw. Geräte zur Verfügung haben und die häusliche Umgebung noch viel mehr Ablenkungspotenziale bereithält als das Klassenzimmer in der Schule. Synchrone Settings sollten daher als nicht-verpflichtende Angebote gestaltet sein, eine Dauer von 20 Minuten nicht überschreiten und vorrangig der Beziehungsarbeit dienen, z. B. in Form von freien Sprechstunden.
Dagegen wird im asynchronen Unterricht zeitversetzt unterrichtet – Sie erstellen z. B. eine Lernaufgabe auf einer Lernplattform und die Schüler*innen bearbeiten diese bis zu einem festgelegten Zeitpunkt individuell. Anders als im Unterricht steht nun auch für Reflexionen deutlich mehr Zeit zur Verfügung – diese können z. B. über aufgabenbezogene Chats oder Foren erfolgen. Machen Sie von der asynchronen Arbeitsform häufig Gebrauch, denn sie ist technisch weniger aufwändig und führt gleichzeitig zu einer höheren Selbstbestimmung der Schüler*innen in den Lernprozessen.


Sowohl wir Lehrkräfte als auch die Schüler*innen mussten sich von heute auf morgen auf eine vollkommen neue Unterrichtssituation einstellen. Daher ist es empfehlenswert, auf Arbeitsweisen zurückzugreifen, die der Lerngruppe bereits bekannt sind. Fernunterricht heißt nicht zwangsläufig, dass die Aufgaben ausschließlich mithilfe des Internets gelöst werden müssen – stattdessen können Aufgaben auch über schon vorhandene (analoge) Lernmittel wie z. B. Schulbücher gestellt und bearbeitet werden.
Beim Einsatz von webbasierten Anwendungen sollten aus Gründen der Bildungsgerechtigkeit potenzielle Hürden so gut es geht vermieden werden: Einerseits gilt dies für die Berücksichtigung der häuslichen Situation der Schüler*innen im Hinblick auf technische Ausstattung und räumliche Bedingungen. Andererseits sind Tools und Webseiten zu bevorzugen, die mittels Link im Browser aufgerufen und von den Schüler*innen ohne Registrierung genutzt werden können, keine Installation (z. B. bei Apps) erfordern und den Schüler*innen bereits bekannt sind.
Tipp: Um die (Ausstattungs- und Lern-)Situation der Schüler*innen zuhause einschätzen und die Aufgabengestaltung besser darauf anpassen zu können, ist eine kurze anonyme Abfrage über ein Umfragetool empfehlenswert (z. B. Edkimo). Exemplarische Fragen haben wir im Folgenden für Sie zusammengestellt:


Ermöglichen Sie Ihren Schüler*innen, zentrale und obligatorische Lernschritte in intelligenten Settings zu üben. Vermeiden Sie eine Flut von Arbeitsblättern mit kleinteiligen und verbindlich abzuarbeitenden Aufgaben – stellen Sie stattdessen Lernangebote zur Verfügung, an denen die Schüler*innen selbstständig überprüfen können, ob sie die adressierten Kompetenzen bereits erworben haben und was sie tun bzw. wo sie nachschauen können, um sich zu verbessern.




Während der Phase der Schulschließungen ist eine Leistungsbewertung hessenweit ausgesetzt. Durch Kommunikation dieser Information vermeiden Sie unnötigen Leistungsdruck und eine Belastung der sozial-emotionalen Beziehungen der Schüler*innen. Berücksichtigen Sie die individuelle Situation der Schüler*innen zuhause und betrachten Sie nicht oder nur ungenügend erbrachte Leistungen als Anlass zur gezielten Beratung bzw. Unterstützung.
Eine sinnvolle und empirisch nachgewiesene Alternative zu individuellen Rückmeldungen an alle Schüler*innen der Lerngruppe stellt das Peer-Feedback dar, also die Rückmeldung der Lernenden untereinander. Stellen Sie dabei sicher, dass den Schüler*innen sowohl Bewertungskriterien als auch Kommunikationsregeln bekannt sind und geben Sie bewusst Kontrolle ab – meist weisen sich die Schüler*innen gegenseitig auf dieselben Aspekte hin, welche man als Lehrkraft ebenfalls angemerkt hätte.
Selbstverständlich ist auch das Feedback von Lehrkräften notwendig. Dieses Mittel kann besonders zielgerichtet für exemplarische Botschaften oder selektive Hinweise an die ganze Lerngruppe eingesetzt werden, z. B. in Form einer kurzen Videobotschaft, einer Tonaufnahme oder eines kurzen Textes.


Digitale Unterrichtssettings ermöglichen nicht nur eine Individualisierung des Lernens – wie im Unterricht in der Schule sollten die Lernaufträge kooperativ gestaltet sein, um positive Abhängigkeiten zu erschaffen, individuelle Verantwortung aufzutragen, direkte Interaktionen zu ermöglichen und soziale Kompetenzen zu fördern. Über kooperative Lernformen können die Schüler*innen die Gedanken und Arbeitsergebnisse anderer nutzen, diese konstruktiv in die eigenen Denkprozesse einbauen und weiterverarbeiten. Hierfür ist eine Ergebnissicherung notwendig, um das Lernen nachhaltig zu machen. Anders als im Klassenzimmer können Arbeitsergebnisse aber nicht nur schriftlich, sondern auch audio- oder videobasiert vorgelegt werden. Nutzen Sie hierfür Tools, in denen Elemente kollaborativen Arbeitens enthalten sind – dadurch können Ideen und Lernergebnisse asynchron und unabhängig vom Lernort gemeinsam erarbeitet und überarbeitet, festgehalten und weitergeben werden, ohne ein Chaos an Dateikopien oder Mail-Korrespondenz zu erzeugen. Tipps und Anregungen für Elemente kooperativen und kollaborativen Arbeitens können Sie sich hier und hier holen.

Hinweise zu Videokonferenzen

Jede neue Unterrichtsmethode muss zunächst von den Schüler*innen erfahren und gelernt werden, bevor gute Arbeitsergebnisse zu erwarten sind. Dies gilt insbesondere für gemeinsame Videokonferenzen. Mit den folgenden Tipps können Sie mit Ihren Schüler*innen erfolgreiche Videokonferenzen durchführen:

  • Kommunikationsregeln festlegen: Teilen Sie den Schüler*innen bereits im Vorfeld mit, worauf es bei gemeinsamen Videokonferenzen zu achten gilt. Eine Dokumentenvorlage haben wir für Sie hier bereits erstellt: 
  • Weniger ist mehr: Begrenzen Sie eine Sitzung auf maximal 20 Minuten. Das genügt, um Aufgaben, Lernpläne oder organisatorische Details durchzugeben.
  • Arbeiten Sie eher frontal: SIE als Lehrperson sind bzw. Ihr Bildschirm ist der Mittelpunkt, über den Impulse gegeben oder Inhalte vermittelt werden. Lagern Sie offene Diskussionen in eine asynchrone Umgebung aus. Wenn inhaltlicher Austausch stattfinden soll, sollten die Inhalte bspw. über die Kachel „Nachrichten“ im Schulportal oder über ein Etherpad ausgetauscht werden. Gehen Sie dort aber davon aus, dass nicht alle Schüler*innen teilnehmen und der Teamchat auch für Dinge genutzt wird, die nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun haben.
  • Reduzieren Sie die Gruppengröße: Jeder Teilnehmer weniger macht den Unterricht effizienter. Das kennen wir aus dem realen Unterricht, im virtuellen sind die Auswirkungen großer Gruppen noch wesentlich extremer.
    Möchten Sie zwischen Frontalunterricht und Gruppenarbeitsphasen wechseln, sollten Sie im Vorfeld mehrere Gruppenarbeitsräume einrichten und Teamsprecher benennen, um Erarbeitungsphasen und Reflexionsprozesse erfolgreich auszulagern. Vereinbaren Sie, wann sich alle Schüler*innen wieder im Plenumsraum zusammenfinden sollen.
  • Erfahrungen sammeln: Fokussieren Sie sich in Ihrer ersten Videokonferenz mit den Schüler*innen vorwiegend auf die Erarbeitung dieser neuen Unterrichtsmethode. Dies kann über einen Arbeitsauftrag geschehen, bei dem die Ergebnisqualität nicht von großer Relevanz ist.

Literatur

Albrecht, S. & Revermann, C. (2016). Digitale Medien in der Bildung. TAB-Arbeitsbericht Nr. 171. Abgerufen von https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/berichte/TAB-Arbeitsbericht-ab171.pdf

Blume, B. (2020). UNTERRICHT: Regeln für Videokonferenzen. Abgerufen von https://bobblume.de/2020/04/18/unterricht-regeln-fuer-videokonferenzen/

Der Lehrerfreund (2020). Unterricht per Videokonferenz: Erfahrungsbericht eines Lehrers. Abgerufen von https://www.lehrerfreund.de/schule/1s/unterricht-videokonferenz-erfahrungsbericht/4840

Hessisches Kultusministerium (2020). Rechtliche Klärungen, Empfehlungen und Informationen zu unterrichtsersetzenden Lernsituationen. Abgerufen von https://kultusministerium.hessen.de/sites/default/files/media/hkm/handreichung_unterrichtsersetzende_lernsituationen_1_0.pdf

Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (2018). Digitale Medien im Fachunterricht. Abgerufen von https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/IQSH/Publikationen/PDFDownloads/ITMedien/Downloads/digitaleMedienImFU.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Lehrerinnenfortbildung Baden-Württemberg (o. D.). Individuelles und kooperatives Lernen mit digitalen Medien. Abgerufen von https://lehrerfortbildung-bw.de/st_digital/medienwerkstatt/fortbildungen/lern2/

Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2020). Distanzlernen. Didaktische Hinweise für Lehrerinnen und Lehrer und Seminarausbilderinnen und Seminarausbilder. Abgerufen von https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Recht/Schulgesundheitsrecht/Infektionsschutz/300-Coronavirus/Coronavirus_Impulse_Distanzlernen/Impulspapier_Lernen-auf-Distanz.pdf

 

Murat Alpoguz

Impulse für das Lernen auf Distanz

Hier finden Sie weitere Vorträge zum Thema "Lernen im 21. Jahrhundert"

Videovorträge

Weitere Lernressourcen

edupool-hessen

Hier finden Sie unsere Erklärvideos für Ihren Einstieg in die Arbeit mit unserem Medienkatalog edupool.

Sie können Bildungsmedien ausleihen, streamen, herunterladen, bearbeiten und ihren Schüler*innen freigeben. Sie können unsere Medien in interaktive Lernvideos mittels H5P Overlay umbauen, sie können unsere Medien in ihre Moodleplattform einbinden und interaktive Arbetsblätter gestalten.

Aber neben all diesen Funktionen ist unser Medienkatalog vorallem eines: Eine unglaubliche Fundgrube an Material für Ihren Unterricht.

Digitaler Unterricht

An dieser Stelle präsentieren wir Ihnen einige Tutorials zum Thema "digitaler Unterricht".

Ausgehend von der Krisensituation während der Schulschließung während der Corona-Pandemie werden wir hier sukzessive ein Repositorium an Erklärvideos rund um das Thema digitaler Unterricht aufbauen.

Bei den hier gezeigten Formaten handelt es sich um Einstiegsformate, so dass Sie Möglichkeiten aufgezeigt bekommen und konkrete Hinweise, die Ihnen den Einstieg erleichtern.

Weitere Tools und Hinweise finden Sie am Ende der Seite oder sie sind unter den Videos verlinkt.